Was das «Normalsein» mit uns macht


    BUCHREZENSION VON LILLY RÜDEL


    Ein Buch, welches die Meinungen teilt und Gegensätze vereint. Ein Buch, das betrifft, berührt, belehrt: «Veronica beschliesst zu sterben». Darum ist es schön eine «Priese Verrücktheit» mit sich zu tragen.

    (Bild: Diogenes Verlag AG) Das Buchcover des Bestellers: «Veronica beschliesst zu sterben».

    Der gefährlichste Moment in Gesellschaftsspielen für den vermeintlichen Gewinner ist der, in dem sein Gegner merkt, dass er nichts mehr zu verlieren hat. Er setzt dann alles auf eine Karte, geht voll auf Angriff, lebt das Spiel in vollen Zügen. Behalten Sie dieses Szenario im Hinterkopf, wenn Sie das Buch «Veronica beschliesst zu sterben» von Paulo Coelho lesen. Jenes Buch spielt in der Hauptstadt von Slowenien, Ljubljana. Schon allein die Auswahl des Schauplatzes untermalt einen der viele Gegensätze, die in dem Buch besprochen werden. In einer relativ unbekannten Stadt wird eine Thematik beschrieben, die für jeden bekannt und elementar in seinem Leben ist: Was macht das Leben lebenswert? Wann wird man von der Gesellschaft akzeptiert?

    Die Protagonistin ist die 24-jährige Veronika. Sie lebt unglücklich ihr Leben bis zu jenem Punkt, an dem sie beschliesst Selbstmord zu begehen. Sie sammelt über einen längeren Zeitraum Pillen, um mit diesen ihrem eintönigen Leben ein Ende zu setzen. Sie habe bereits alles erlebt und sehe keine Zukunft, habe keine Hoffnung mehr in der Monotonie des Lebens. Der Selbstmordversuch misslingt, hinterlässt aber irreparable Schäden und begrenzt die Lebenserwartung von Veronika auf wenige Tage. In der Irrenanstalt wartete Veronika deshalb auf den Tod. Doch je länger sie wartet, desto unsicherer ist sie, ob sie wirklich schon mit ihrem Leben abgeschlossen hat.

    Vor dem düsteren Hintergrund des Buches ist die Geschichte ein Appell an unser Privileg des Lebens und die Schönheit des Andersseins, das das Leben erst besonders macht. Coelho zeigt an Veronicas Geschichte, dass das Leben beginnt, sobald man seine eigene Verrücktheit akzeptiert. Nicht die Irrenanstalt ist das Gefängnis, sondern die von der Gesellschaft erzwungenen Muster des Normalseins. Wenn die Lebenszeit nur noch von begrenzter Dauer ist, wird das Leben einzigartiger und die Prioritäten anders gesetzt. Das Leben ist nie zu kurz, um es nochmals richtig zu leben. Das Buch regt zum Nachdenken an und lässt einen das Leben in seiner Einzigartigkeit ein bisschen mehr geniessen.


    Über den Autor
    Paulo Coelho wird am 24. August 1947 in Rio de Janeiro, Brasilien, geboren. Der Bestsellerautor erlebte keine besonders glückliche Kindheit. Zum Entsetzen seiner Eltern, hegte er schon früh den Wunsch Schriftsteller zu werden, woraufhin sie ihn dreimal in eine psychiatrische Anstalt einwiesen. Laut Coelho verarbeitet er in dem Roman «Veronica beschliesst zu sterben» seine eigenen Erfahrungen aus der psychiatrischen Anstalt. Paulo Coelhos Bücher verkauften sich bisher über 320 Millionen Mal in über 170 Ländern. Seine bekanntesten Werke sind «Veronica beschliesst zu sterben» und «Der Alchemist».

    Das Buch ist im Diogenes Verlag erschienen.

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